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Glaserei Bar & Grill: So cool ist der Mehringdamm

Ist also der Mehringdamm das neue Cool? Aber cool will dieser herrliche Gastro-Pub vermutlich gar nicht sein. Es sei denn, man übersetzt cool mit: gelassen. Ein Abend bei Saftschinken und Grillspargel in der Glaserei Grill & Bar.

Was in der Glaserei auf den Grill kommt, ändert sich tagesaktuell, immer aber geht es um ein Produkt und  den passenden Sidekick. Foto: Clemens Niedenthal

Glaserei: Mit guten Leuten und genauso bei guten Leuten vorbeischauen für ein Bier oder auch vier

Dass dieser Abend viel mit dem zu tun haben würde, was Berlin einmal war und wonach sich die Stadt längst auch wieder sehnt, das hätte bereits bei diesem Namen klar sein müssen: Glaserei nämlich. Ganz so wie Tresor oder Obst und Gemüse. Orte des Abends, der Nacht und auch des Durstes, deren vorherige Nutzung einfach als Name beibehalten worden war.

In den Jahren, in denen Berlin wurde, was es in vielen guten Momenten auch heute noch ist, unterstrich diese Lakonie der Benennung zweierlei: den improvisierten Charakter einer Zwischennutzungsstadt und den unbedingten Willen, gleich zum Wesentlichen zu kommen. Warum sich lange mit Fragen der Namensfindung aufhalten, wenn die Funktion eines Ortes doch selbsterklärend ist: Mit guten Leuten und genauso bei guten Leuten vorbeischauen für ein Bier oder auch vier. Für ein paar leckere Teller und dem noch besseren Grund: zusammen zu sein.

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Markus Schädel und Albrecht Sprenger haben einen solchen Ort geschaffen. Und ihn naheliegenderweise Glaserei genannt. Nach eben jenem Gewerbe, das hier am Kreuzberger Mehringdamm seit 1904 ansässig war. Glaserei Landeshaupt steht noch formatfüllend auf der Fassade. Gut für eine Bar, dass das Ladenlokal wohl aus Gründen der Eigenwerbung schon lange über bodentiefe Panoramafenster verfügt.  Der schmale Hochtisch direkt am Fenster war zumindest an diesem Abend, dem vierten seit Eröffnung, der beliebteste Platz.

Ein Wohnzimmerlokal mit offener Küche: Markus Schädel (li.) und Albrecht Sprenger haben die wunderbar alltägliche Glaserei Bar und Grill geschaffen. Foto: Clemens Niedenthal

Nicht  nur, weil sich das perfekt gezapfte Helle der Schlossbrauerei Hohenthann aus Niederbayern so goldig im Abendlicht sonnen konnte. Ein ganz normales Bier, nur eben ein besonders gutes. Was, pars pro toto, schon viel über die Glaserei erzählt: Die Glaserei Bar & Grill ist ein Ort, der sich nicht an den Distinktionspirouetten des kulinarischen Berlins beteiligt und dennoch von sich behaupten darf, dass man einen Wolfsbarsch kaum punktgenauer grillen könnte, dezent kross auf der Haut, saftig im Fleisch. Serviert nur mit Zitronenbutter und einer Sauce Verte (12,50 Euro).

Ein (belegtes) Brot mit Schinken

Markus Schädel und Albrecht Sprenger wollten schon länger ein Lokal gemeinsam machen. Erfahrungen in der Gastronomie haben sie beide. Der gebürtige Münchner Schädel führte lange das (ebenfalls lakonisch, nämlich einfach nach dem Wirt benannte) Schädels, eine Tagesbar in jenem betonkühnen Neubau in der Oderberger Straße, in dem uns seit fünf Jahren das Otto begeistert. Herzlichen Dank noch einmal an ihn, dass er diese freundliche Übernahme damals in die Wege geleitet hat. Sprenger, geboren in Lichterfelde und aufgewachsen in Ostwestfalen, kommt aus der Kulturgastronomie, weiß also, wie sich Orte anfühlen, bei denen das Rillette von der Forelle auch mal nur als Beilage zu Darbietung oder Debatte serviert wird. Nur, dass es in Theaterkneipen leider selten ein so gutes Rillette gibt. Und dass es, aber das hatten wir ja schon, auch Talent und Wertschätzung braucht, um ein richtig gutes Bier zu zapfen.

Natürlich darf, nein, soll man auch einfach mal nur für ein Bier (oder ein Glas Wein)  am Tresen vorbeikommen, dazu noch ein Schälchen Kartoffelchips. Aber dann würde man die Fischsuppe mit Safran oder die Cannellini-Bohnen mit gebackenem Knoblauch verpassen. Und den Saftschinken mit Meerrettich, Gewürzgurke und sehr gutem Brot.

Wolfsbarsch könnte man kaum punktgenauer grillen, dezent kross auf der Haut, saftig im Fleisch. Serviert nur mit Zitronenbutter und einer Sauce Verte. Foto: Clemens Niedenthal

Die Küche, die eigentlich keine ist, besteht aus einem kleinen Vorbereitungsraum, halbe Treppe hoch, und vor allem dem Grill gleich hinter der Theke. Was auf den Grill gelegt wird, ändert sich tagesaktuell, Pulpo, Bratwurst, Wolfsbarsch, Grüner Spargel, immer aber geht es um ein Produkt und den passenden Sidekick: provençalischer Ketchup zur Merguez, Zitronenbutter zum Wolfsbarsch, hausgemachte Mayonnaise (na gut, und Parmesan) zum Spargel. 

Ein Ort für die Nachbarschaft

Zwölf, allenfalls 15 Euro kosten diese Teller. Markus Schädel und Albrecht Sprenger geht es durchaus um diese ökonomische Alltäglichkeit, um einen erschwinglichen Ort für die Nachbarschaft und alle, die sich nachbarschaftliche verbunden fühlen. Auch deshalb ist das Lokal bereits am vierten Abend so gut und so divers besucht. Alte Menschen, junge Menschen, welche aus der Gastro und solche aus dem Kulturbetrieb, Prominenz. Einige bleiben lange, andere eher kurz. Alle werden wiederkommen, so viel scheint jetzt schon klar.

Das perfekt gezapfte Helle der Schlossbrauerei Hohenthann aus Niederbayern konnte sich goldig im Abendlicht sonnen. Foto: Clemens Niedenthal

Weshalb dieser Text also nicht umhinkommt, die Sehnsucht seines Autors, und offensichtlich ja nicht nur von ihm,  nach einem Ort wie diesem zu hinterfragen. Mindestens eine Antwort: Wo vier von fünf gastronomischen Neueröffnungen auf den Hype des Moments setzen, auf eine allzu knapp kalkulierte Aufmerksamkeitsökonomie, fühlt sich dieses Lokal an, als würde es schon eine ganze Weile auf mich warten. Patina, Charisma, vor allem aber Wille und Bewusstsein, Alltäglichkeit zuzulassen.

„Überhaupt ist das Wirtshaus ja ein faszinierendes Stück Alltagsästhetik“, hat Clemens Roesch, Gastgeber im Trio in der Linienstraße, in der Titelgeschichte der aktuellen tipBerlin Speisekarte gesagt, „es gibt diese spezifische  Schönheit des Gastronomiegegenstands, und sei es nur der Zigarettenautomat auf dem Weg zu den Toiletten oder ein zerbeulter Flaschenkühler.“

Das Narrativ der Glaserei: Ihr habt Hunger, ihr habt Durst, kommt doch einfach rein

In diesem Sinne ist dieses so beiläufig gestaltete ehemalige Ladenlokal zudem auch  eine der schönsten Neueröffnungen Berlins. Denn, ja, zumindest ich bin es leid, unter Glühfädenbirnen in Gasträumen zu sitzen, in denen jedes Detail als Erzählung herhalten muss und ein Tisch nicht mehr nur Tisch sein darf, sondern immer auch ein Narrativ sein muss .

Was also das Narrativ der Glaserei Bar und Grill wäre? Ihr habt Hunger, ihr habt Durst, kommt doch einfach rein.

  • Glaserei Bar & Grill Mehringdamm 49, Kreuzberg, Tel. 030/44 01 39 87, Di–So ab 17.30 Uhr,
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In der Juli-Ausgabe des tipBerlin wird der Mehringdamm noch cooler, dort lest ihr einen Text über Mama Rosas Taqueria. Herausragende Kneipe: Niko Izakaya in der Brunnenstraße. Neuerfunden als coole Produktküche: Die Tisk Speisekneipe ist wieder da. Die Renaissance der Speisekneipe: 12 Gastro-Pubs in Berlin stellen wir hier vor. Fantastisch: Mirari ist die israelische Antwort aufs Wirtshausküchen-Revival. Fünf Tipps von Profis: Wirtshausküche in Berlin

Der Food-Guide für die Hauptstadt: Bestellt hier die tipBerlin Speisekarte. Immer neue Tipps für Restaurants in Berlin findet ihr hier.

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