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„15 Jahre“: Emotionale Achterbahnfahrt mit Hannah Herzsprung

Vor knapp 20 Jahren hat Hannah Herzsprung schon einmal ein kaputtes Leben in die Tasten gehauen, in „15 Jahre“ tut sie das nun wieder. tipBerlin-Kritiker Martin Schwarz findet, Regisseur Chris Kraus kommt mit der Fortsetzung zwar nicht an das ursprüngliche Meisterwerk „Vier Minuten“ ran, überzeugt aber nicht zuletzt mit einer herausragenden Hannah Herzsprung in der Hauptrolle.

Der syrische Musiker Oman (Hassan Akkouch) ist der unschuldig inhaftierten Jenny (Hannah Herzsprung) ehrlich zugewandt. Foto: Dor Film-West/Four Minutes Filmproduktion/Wild Bunch Germany

Regisseur Chris Kraus trägt emotional gerne dick auf – so auch wieder in „15 Jahre“

Chris Kraus macht keine halben Sachen. In seinen bisherigen Kinospielfilmen „Scherbentanz“, „Poll“, „Vier Minuten“ und „Die Blumen von gestern“ geht der 1963 geborene Göttinger stets in die Vollen – vor allem emotional trägt er gerne dick auf und hat durchaus Lust an der Provokation. So löste der DFFB-Absolvent im Jahr 2016 mit „Die Blumen von gestern“ (Lars Eidinger in der Rolle eines Historikers) eine Diskussion über den Umgang mit dem Holocaust aus.

Dick aufgetragen wird auch in seinen Romanen, wie im Monumentalwerk „Das kalte Blut“ (die von seinem baltischen Großvater inspirierte Geschichte soll wohl als Miniserie verfilmt werden). Nun hat Kraus mit „15 Jahre“ eine Fortsetzung seines bislang erfolgreichsten Films „Vier Minuten“ gedreht, erneut mit Hannah Herzsprung in der Hauptrolle, die als Tochter des Schauspielers Bernd Herzsprung 2006 durch den Vorgänger schlagartig bekannt wurde und seither bei Dominik Graf („Die geliebten Schwestern”) oder in „Babylon Berlin“ glänzte.

Jenny (Hannah Herzsprung) ist wieder auf freiem Fuß, sieht sich aber mit ihrem kaltherzigen Ex konfrontiert. Foto: Dor Film-West/Four Minutes Filmproduktion/Wild Bunch Germany

Da ist sie also wieder, Jenny von Loeben, eine sprunghafte, durchaus zur Aggression – auch gegenüber sich selbst – neigende Frau, die zugleich eine Ausnahme-Pianistin ist. 15 Jahre saß sie unschuldig im Knast für einen Mord, den sie ihrem damaligen Freund zuliebe auf sich genommen hatte. Mittlerweile ist Jenny auf freiem Fuß und arbeitet innerhalb der Obhut einer Diakonie als Putzfrau. Ein Klavier hat sie seit langer Zeit nicht mehr angerührt.

„15 Jahre“ streift auch andere Konfliktthemen wie den Syrienkrieg

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Doch dann muss Jenny erfahren, dass ihr Ex-Freund (Albrecht Schuch), der sie die ganzen Jahre null unterstützt hat, inzwischen unter dem Pseudonym „Gimmiemore“ eine Karriere als Moderator einer seltsamen Castingshow für in irgendeiner Form Gehandicapte hingelegt hat. Zusammen mit dem ihr ehrlich zugewandten syrischen Musiker Oman (Hassan Akkouch) beschließt Jenny, an diesem Wettbewerb teilzunehmen, um Rache zu üben.

„15 Jahre“ ist eine emotionale Achterbahnfahrt mit einer herausragenden Hannah Herzsprung, der einem anders als das Meisterwerk „Vier Minuten“ den Zugang etwas erschwert, indem er neben der an sich schon satten Geschichte um Jenny von Loeben auch noch andere Konfliktthemen wie den Syrienkrieg oder spekulative TV-Shows streift. Das ist kraftvoll erzählt, mit 144 Minuten aber sehr lang geraten. Wobei man sich mitunter fragt: Ist jetzt Autor und Regisseur Chris Kraus zynisch, oder doch nur die Welt, von der er erzählt? Und lässt sich das überhaupt voneinander trennen?

  • 15 Jahre Deutschland/Österreich 2023; 144 Min.; R: Chris Kraus; D: Hannah Herzsprung, Albrecht Schuch, Hassan Akkouch; Kinostart: 11.1.2024

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