Interview

Forschungsprojekt „Mental Health in Clubs“: Wie geht es dem Club-Personal?

Lange Arbeitstage und kurze Pausen, eine Umgebung voller Drogenkonsum und destruktiver Schlafrhythmus: Die Arbeit im Club ist kräftezehrend. Vor allem leider die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden massiv unter den Strukturen. Mit den jüngsten Anschuldigungen über Mobbing und Diskriminierung von Clubmitarbeitenden gegenüber den Berliner Club Aden und Watergate hat die Dringlichkeit, sich mit der Arbeitsrealität von Clubmitarbeitenden zu beschäftigen, die Öffentlichkeit erreicht. Es muss sich etwas ändern.

Erich Joseph ist Leiter des Projekts „Mental Health in Clubs“, das von der Clubcommission Berlin gefördert wird, und hat diese Dringlichkeit schon vor einigen Jahren erkannt. Seit 2023 leitet er das Forschungsprojekt „Mental Health in Clubs“, das darauf abzielt, ein Programm zu entwickeln, das die psychischen Gesundheit von Club-Mitarbeitenden verbessert. Im Interview erzählt er mehr über die Hintergründe und Beweggründe.

Auch Club-Instanz Tresor macht bei der Pilotphase vom Forschungsprojekt „Mental Health in Clubs“ mit. Foto: Imago/F. Anthea Schaap

„Mental Health in Clubs“: Pilotphase endet

tipBerlin Wie ist „Mental Health in Clubs“ entstanden?

Erich Joseph Es gab schon lange einen Mangel an präventiven Strukturen und Behandlungsprogramme für Menschen, die in der Nacht arbeiten. Früher, als ich selbst in Clubs gearbeitet habe, ist mir das schon aufgefallen. Aus diesen Beobachtungen heraus entstand die Idee für das Projekt. Ich habe das dann, als ich dort schon arbeitete, dem Vorstand der Clubcommission Berlin vorgeschlagen. Alle waren davon direkt begeistert, denn in dem Bereich waren wir bisher gar nicht aufgestellt.

Corona hat auch dazu geführt, dass der Diskurs in der Gesellschaft offener geführt wurde.

Erich Joseph ist Projektleiter von „Mental Health in Clubs“

tipBerlin Corona hat bestimmt einen maßgeblichen Einfluss auf die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden in Clubs gehabt?

Erich Joseph: Natürlich. Die ständigen Krisen haben definitiv Einfluss auf die Psyche der Menschen, die in der Nacht arbeiten. Die Clubs hatten ja sehr lange geschlossen, das ging an die Existenz vieler Club-Beschäftigten. Jedoch hat Corona auch dazu geführt, dass der Diskurs in der Gesellschaft offener geführt wurde, dementsprechend gab es mehr Förderungen bezüglich psychischer Gesundheit. Seit der Pandemie sind zum Glück alle viel offener und der Umgang mit dem Thema in der Gesellschaft ist ein Stück weit enttabuisiert worden.

tipBerlin Wo befinden wir uns gerade in der Studie?

Erich Joseph Gerade endet die Pilotphase, die bereits seit Juli 2023 läuft. Offiziell schließt sie mit der Online-Befragung diesen Juni, an der alle, die in Berliner Clubs arbeiten, teilnehmen können. Diese Phase hat dazu gedient, mit den Pilotclubs und deren Beschäftigten herauszufinden, was die grundlegenden Faktoren auf individueller, dienstlicher und struktureller Ebene sind, die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit haben. Wir konnten aus den Interviews, den Fokusgruppendiskussionen und der quantitativen Befragung von Dezember 2023 jetzt schon wichtige mittelfristige Erkenntnisse im Hinblick auf Ressourcen und Stressoren ermitteln. Im Sommer werden diese Ergebnisse ausgewertet, um das Mental Health Programm für die nächste Phase weiterzuentwickeln.

  • Clubs, die Teil der Pilotphase sind: Tresor/OHM, Schwuz, Zenner, Renate/Else, Gretchen, RSO, Fitzroy/Lark

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Ab Oktober bis März 2025 beginnt die Transferphase, in der ein kostenloses Programm angeboten wird. Alle Berliner Clubs können daran teilnehmen, die zuvor nicht Teil der Pilotphase waren. Das Ziel ist es, eine langfristige Finanzierung dieses Programms zu sichern. Deshalb sind die Daten der Studie auch so wichtig. Unser Programm ist dabei einzigartig. Dass Künstler:innen seit einigen Jahren offen über ihre mentale Gesundheit reden, ist bekannt, aber die Mitarbeitenden in Clubs tun dies noch nicht offen. Das wollen wir mit dem Programm ändern.

tipBerlin Stichwort: Watergate und Aeden. Was erhofft ihr euch von den beiden Clubs und deren Mitarbeitenden im restlichen Verlauf der Studie?

Erich Joseph Wir freuen uns über die Teilnahme von Mitarbeitenden aus allen Berliner Clubs, also auch die aus Watergate und Aeden.

Erich Joseph ist Projektleiter und arbeitet selbst seit Jahren in der Club-Szene. Foto: Erich Joseph

Alle feiern das Konzept des Programms und freuen sich auf den Austausch.

Erich Joseph ist Projektleiter von „Mental Health in Clubs“

tipBerlin Wie wurde das Angebot denn insgesamt angenommen?

Erich Joseph Alle feiern total das Konzept des Programms und freuen sich auf den Austausch. Trotzdem ist die Teilnahme an den Angeboten unterschiedlich. Die psychologische Beratung und Kurzzeittherapien wurden komplett in Anspruch genommen. Die Teilnahme der gesamten Belegschaft der Clubs in der Pilotphase lag bei 12 Prozent, was laut der Charité, die die Therapien durchgeführt hat, sehr hoch im Vergleich mit anderen Branchen ist. Es gibt also definitiv einen Bedarf.

Achtsamkeitsbasierte Workshops von Breathwork, Soundbath oder Neurogenes Training in Clubs wurden sehr gut besucht. Es gab auch Feedback, wie beispielsweise nach mehr Peer-Beratung. Also wird es in der Transferphase Supportgruppen für Flinta*, BiPoCs oder nach Gewerke geben, sodass zwischen Mitarbeitenden ein Club übergreifender Austausch mit ähnlichen Erfahrungswerten stattfinden kann.

tipBerlin Was erhofft ihr euch von „Mental Health in Clubs“?

Erich Joseph Wir erhoffen uns, dass ein kostenloses Programm zur Prävention und frühzeitigen Intervention sowie zur Behandlung von psychischen Belastungen und Erkrankungen für Clubmitarbeitende, Freelancer und Künstler:innen in der Clubkultur ermöglicht und etabliert wird. Zum anderen wollen wir Clubs dabei unterstützen, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden und deren psychische Gesundheit zu priorisieren. Allein die Fokusgruppendiskussionen und das Pilotprogramm haben dazu geführt, dass am Arbeitsplatz mehr über psychische Gesundheit gesprochen wird. Dadurch ändert sich die Unternehmenskultur indirekt, weil es jetzt schon Teil des internen Diskurses ist. Ob sich am Ende etwas Grundlegendes in Bezug auf die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden in Clubs ändert, hängt von vielen Faktoren ab, darunter auch von den Unternehmensstrukturen, der Unternehmenskultur, der Führungsebene und vor allem von finanziellen Mitteln.

  • Mehr Infos zu „Mental Health in Clubs“ gibt’s hier, bis 9. Juni könnt ihr hier an einer Online-Befragung teilnehmen

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