Die zweite Ausgabe des Sommerfestivals des Haus der Kulturen der Welt führt den Juli über auf eine musikalische Reise zum Thema „Terapia“
Was für ein Anblick! Rund 3.000 tanzende und trommelnde Menschen in bunten Gewändern ziehen im Afroblock Ilê Aiyê beim Karneval von Salvador da Bahia durch die Straßen. Es sind die Nachfahren der auf den Zuckerrohrplantagen ausgebeuteten Sklaven, die hier stolz ihre afrikanischen Wurzeln präsentieren – ein Ausdruck der Ermächtigung vom lange unterdrückten Schwarzen Selbstbewusstsein.
Der Anblick brachte einst Popikone Caetano Veloso in einem Song ins Schwärmen: „Ilê Aiyê, wie schön du anzusehen bist! Wie gut, deine Schönheit dabei zu haben.“ Noch bis 1975 war es für die Schwarzen Brasilianer:innen nahezu unmöglich, beim Karneval von Bahia mitzumachen. Inspiriert von der Black-Power-Bewegung in den USA, erkämpften Ilê Aiye und andere Afroblocos den Afrobrasilianer:innen ihren Platz im von Weißen dominierten Karneval. Statt auf deren Frevo-Musik setzten sie auf afrikanische Rhythmen.
Musik als heilsame Selbstermächtigung
Wenn Ilê Aiyê nun am 7. Juli auf der Dachterrasse im Haus der Kulturen der Welt beim Sonic Pluriverse Festival auftritt, dann illustrieren sie ziemlich genau das Konzept des Sommerfestivals. Die diesjährige Ausgabe steht nämlich unter dem Motto „Terapia“ und die Trommelrhythmen, die Bewegungen der Tänzerinnen, die Gesänge, alles gründet bei Ilê Aiyê auf den Musik- und Tanzritualen des synkretistischen Candomblé, dessen zentrales Element die Trance ist.
Um die offenkundig psychotherapeutischen Effekte von Zeremonien, Volkstänzen und Traditionen wie dem venezuelanischen Tamunangue, dem Mardi Gras in New Orleans oder eben dem Candomblé in akustischen Transformationen geht es HKW-Musikkuratorin Edna Martinez, ihr offizieller Titel ist schließlich „Kuratorin für Musik- und Klangpraktiken“. Martinez, die selbst als DJ Musik vermittelt, nimmt dabei den aus ihrer kolumbianischen Heimat stammenden Musikstil Terapía Criolla als Motiv. „Terapía, eine Urform der Champeta“, erklärt sie, „wird von der afrokolumbianischen Bevölkerung zur heilsamen Selbstermächtigung gespielt, es geht um Community, um Widerstand. Interessant auch zu sehen, wie dabei heutzutage Einflüsse verschiedener Traditionen zu etwas Neuem zusammenkommen.“
Entdeckungen und Stars wie Bonga oder Margareth Menezes
Es geht bei Sonic Pluriverse daher nicht nur um die Präsentation von interessanten Entdeckungen wie den gern in Masken auftretenden Elektromusikern Dengue Dengue Dengue aus Peru (4.7.) oder der 79rs Gang aus Louisiana, die indigene Traditionen mit HipHop vermischt (27.7.), sowie von Stars der „Weltmusik“ wie Altmeister Bonga aus Angola (4.7.), die ghanaische Highlife-Legende Pat Thomas (11.7.), Systema Solar aus Kolumbien (12.7.) oder Margareth Menezes, die Schwarze Königin des Axé aus Bahia (25.7.), heute ist sie Brasiliens Kulturministerin.
Edna Martinez geht es auch um Austausch und Dialog sowie die Verbindung mit den in Berlin ansässigen internationalen Communitys. So gibt es nicht nur Artist Talks und Workshops vor den Konzerten, es spielen auch echte Berliner Gewächse wie die transkulturelle Jazz-Band Sonic Interventions, deren Mitglieder von allen fünf Kontinenten stammen (20.7.). Und am Ende jedes Abends gibt es Sets mit Liveshows und experimenteller Musik von DJs, die aus aller Welt stammen, aber in Berlin wohnen. Und natürlich legt die Chefin in dem Rahmen auch selbst auf (11.7.).
- Weitere Infos unter www.hkw.de
- Haus der Kulturen der Welt John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten, 4.–26.7., VVK 16–24 €, Festivalticket: 121,50 €, DJ-Sets: Eintritt frei.
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