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So queer ist Neukölln: tipBerlin-Guide für die queere Community

Neukölln ist turbulent, pulsierend und vielfältig. In Zahlen heißt das: mehr als 300.000 Einwohnende aus rund 155 Ländern. Das einstige Rixdorf hat zwar nicht das Image des queeren Schönebergs, doch hat einiges zu bieten, denn in Neukölln lebt es sich verdammt queer!

Viele Menschen bei der „Internationalist Queer Pride“-Parade 2023 in Neukölln. Foto:Imago/Emmanuele Contini

Queer leben in Neukölln

Wenn man David Bowie hört, denkt man direkt an den Regenbogenkiez in Schöneberg, dabei hat die Ikone doch auch Neukölln ein Lied gewidmet. Zwar mit einem kleinen Schreibfehler, ist das Instrumentalstück „Neuköln“ auf dem „Heroes“-Album von 1977 doch ein klarer Hinhörer. Und dann ist da Rio Reiser mit „Sonnenallee“ und GenZ-Musiker:innen wie Wa22ermann mit „Maybachufer“ und 3Lena „U8 Hermannnplatz“. Oder Wegbereiter und Regisseur Rosa von Praunheim mit seinem Kiezporträt „Überleben in Neukölln“. Neukölln ist und bleibt energetisch und das fasziniert. Volle U7 zwischen S-Bahn Neukölln und Hermannplatz, wuseliger Maybachufer-Markt, von Autos verstopfte Sonnenallee, familienschwere Zusammenkünfte auf den Gehwegen und so viel mehr. Das Leben pulsiert hier.

Insbesondere der Ortsteil Nord-Neukölln, alles vom Maybachufer bis zum S-Bahnhof-Sonnenallee und zum unteren Rand des Tempelhofes Feldes, ist fast vollständig gentrifiziert. Wochenendbesucher:innen, Zugezogene und internationale Langzeittouris erleben die Kieze deutlich anders, als Kiez-Urgesteinen es tun. Das wird auch wohl noch eine Weile anhalten, denn erst 2023 hat es Neukölln wieder einmal unter die coolsten Stadtteile des Londoner „Timeout“-Magazins geschafft, als einziges deutsches Viertel. Neuköllner Straßen wie Hauptschlagadern des Kiezlebens, an allen Ecken multi-kulturelle Erfahrung und einen Kulturclash nach dem anderen – und da gehört queeres Leben nun mal dazu.

Das heißt nicht, dass hier alles reibungslos verläuft. Queere Sichtbarkeit heißt nicht sofort Sicherheit, queerfeindliche Angriffe gibt es auch hier. Wir zeigen euch Orte und Ausschnitte des queeren Lebens in Neukölln, die so vielfältig sind wie die Community – von Bars mit ganz unterschiedlicher Ausrichtung über Restaurants bis zu Buchläden und Sportvereinen.

Nachtleben in queeren Räumlichkeiten

Wer noch nicht ganz weiß, ob Kaffee, Chai oder doch schon ein frühes Bierchen, ist im K-Fetisch richtig. Das Café an der Ecke Wildenbruchstraße/Weserstraße wird von einem linken Kollektiv geführt und ist entsprechend ein äußerst politischer Raum. Wer sich dort den Kaffee schmecken lässt, sitzt zwischen Literatur von Judith Butler und Karl Marx. Im Winter wärmt euch sogar ein kleiner Ofen, der den vorderen Nicht-Raucher-Raum noch gemütlicher macht.

  • K-Fetisch Wildenbruchstr. 86, Mo, Mi, Do, Fr, So 10-00 Uhr, Sa 11-23 Uhr, Di geschlossen

Neonlichter und drehende Discokugeln schaffen im Silverfuture eine lebhafte Atmosphäre. In ihrem Instagram sagt die queere Bar: „For Kings and Queens and Criminal Queers“. Was für ein Statement! Von Lesungen über Open-Stages bis zu Karaoke kann man hier so viel mehr machen, als sich ein Bierchen schmecken lassen.

  • Silverfuture Weserstr. 206, Mo-Sa ab 17 Uhr, Instagram

Grusel-Drag-Shows und queere Talent-Shows erwarten euch in der Tresse, wie sich selbst die Bar Tristeza nennt. Die queerfeminstische Bar bieten ein unerschöpfliches Programm für ihr Stammpublikum.

  • Tristeza Pannierstr. 5, Di-Sa ab 18 Uhr, So und Mo geschlossen

Das SchwuZ (kurz für Schwulenzentrum) im Rollbergkiez ist ein Goldstück im Entertainmentparadise. 1977 in der Kulmer Straße in Schöneberg gegründet, ist es der älteste queere Club Deutschlands. Er ist mehrmals umgezogen, bis er sich 2013 in den Rollbergmauern niederließ. Im SchwuZ passiert viel: Musicals, große Party, Drag-Shows, Panels und vieles mehr. Vielleicht auch bald Trauungen. Erst im Frühjahr 2024 wurde ein Antrag an das Bezirksamt Neukölln gestellt, mit der Bitte, die Institution ein Ort fürs Ja-Sagen ernennen.

  • SchwuZ Rollbergstr. 26, Mi-So geöffnet, Mo-Di geschlossen
Die Ruhe vor dem Sturm. Wenn die Nacht anbricht, fühlen sich die großen Räumlichkeiten des queeren Clubs. Foto: SchwuZ

Schlemmen in queeren Gastronomien

Seit 2015 serviert das queere Restaurant vegane Küche. Mit einer kleinen Auswahl an Tapas und gutem Wein kann sich hier im familiären Ambiente der Abend exquisit gestaltet werden.

  • Alaska Bar Reuterstraße 85, Di-Sa ab 17 Uhr

Das Café Hoven feierte erst im April 2024 sein einjähriges Jubiläum. Bereits im ersten Jahr wurde das Restaurant angegriffen, ein Mitarbeiter zusammengeschlagen. Doch Aufgeben ist keine Option. Café Hoven bleibt auf, setzt ein Zeichen gegen Queerfeindlichkeit und serviert weiter kreative Küche zwischen Rote-Bete-Risotto und Erbsenbruschetta. Und jede Woche gibt’s was Neues auf der Karte!

  • Café Hoven Pflügerstraße 19, Di – Sa 9-23 Uhr, So & Mo 9-16Uhr

Bald: Queere Geschichte im Archivzentrum

Das Vollgutlager der ehemaligen Kindl-Brauerei soll nun ein Ort für queere Geschichte werden. Das zukünftige Archivzentrum wird ein Zusammenschluss aus dem feministische Archiv FFBIZ, der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft und dem Spinnboden Lesbenarchiv und Bibliothek. Mit unterschiedlichen Sammelschwerpunkten gestaltet die drei als Genossenschaft einen Ort für lesbisch-queere, feministische und sexualwissenschaftliche Geschichte. Im Moment werden noch Spenden gesammelt, um den Umzug zu unterstützen.

  • Archivzentrum Rollbergstraße 26, Infos und Spendenaufruf hier

Stöbern in queerer Literatur

She said ist ein Buchladen, der auschließlich Literatur von queeren und weiblichen Autor*innen verkauft. Der Ort für diverse und feministische Literatur befindet sich auf dem Kottbusser Damm zwischen dem Hermannplatz und der U-Bahn-Station Schönleinstraße. Seit der Gründung im Jahr 2020 hat der Buchladen einen massiven Boom erfahren. Getränke gibt’s natürlich auch: Im hinteren Bereich des She said kann man sich mit einem Cappuccino erfrischen, um anschließend gestärkt und voller Energie weiterzustöbern.

  • She said Kottbusser Damm 79, Mo-Sa 10-18/19 Uhr, So geschlossen
Total durchgestylt. She said überzeugt nicht nur mit großen Angebot, sondern auch optisch. Foto: Savannah van der Niet

Queerer Kampfsport

Hier ist egal, woher du kommst, was deine Identität oder sexuelle Ausrichtung ist. Alles was zählt ist, dass du in den Ring steigst. Der Boxgirls Berlin Verein ist ein Safe-Space für Erwachsene, Kinder und Teenager mit zwei Standorten in Neukölln, einmal in der Hobrechtstraße und Karlsgartenstraße.

  • Boxgirls Berlin e.V. mehr hier

Das Miteinander wird hier ganz groß geschrieben. Den Einsteigern ist es wichtig, mit Solidarität und Toleranz Sport zu treiben. Nach dem Motto „We wrestle with pride“ sind hier alle willkommen. Der queere Verein bricht erfolgreich mit Langzeitklischee wie dass Kampfsport zu aggressiv für die Schwuleszene ist.

  • Einsteiger e.V. Ringen Berlin, mehr hier

Queeres Berlin

Auch außerhalb von Neukölln unterwegs? Hier ist unser queerer Guide für Prenzlauer Berg, mehr über das queere Leben in Schöneberg lest ihr hier, die queeren Ecken in Kreuzberg haben wir hier im Blick, auch Friedrichshains queeres Leben ist spannend, und das queere Mitte zeigen wir euch hier. Was ist eigentlich mit den Clubs? Die Bedeutung von queere Clubkultur in Berlin. Und zum krönenden Abschluss: Ein Porträt über die Neuköllner Pop-up Bar Stueck und wie sie gegen Queerfeindlickeit ein Zeichen setzen.

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